» Jeden Tag
     mache dich auf viele Wunder gefaßt. «

» Die Tat ist die Zunge des Herzens.«

     » Die Poesie ist die Aussicht
aus dem Krankenzimmer des Lebens. «

» Auf der Welt ist alles natürlich,
       ausgenommen die Welt selber. «

» Eine Demokratie ohne ein paar hundert Widersprechkünstler ist undenkbar. «

» Man verdirbt unter Leuten,
die einen nicht übertreffen. «

» Er ist ein besonderer Freund
       – von Feinden. «

» Weiber sprechen lieber von,
          Männer in der Liebe. «

» Ein Rathhaus gehört zum Hausrath
       einer Stadt. «

» Ein Kind sei euch heiliger als die
   Gegenwart, die aus Sachen
     und Erwachsenen besteht. «

» Ich merke Namen so wenig,
daß ich oft vor dem Spiegel frage,
wie heißt der darin? «

» Die Blumen schlafen,
         aber nicht das Gras. «

» Bei Gott, alle Welt spricht,
und niemand kommt zu Wort. «

» Eine Blattlaus hat mehr Ahnen
   als ein Elephant. «

» Niemand hat weniger Ehrgefühl
      als eine Regierung. «

» Nichts ist fataler, als wenn gerade
die letzte Flasche altes Bier schlecht ist. «

     » Manches »Gesuchte« wäre es nicht,
        wenn der Verfasser mehr suchte. «

» Hätte ich keine Bücher zu schreiben: ich wäre der beste Ehemann. «

» Unter Denken eines bösen Gedankens
     auf der Gasse ehrerbietig gegrüßt werden. «

» Was alles Böses gegen das Bier
     bei Philosophen gesagt wird,
         gilt nicht bei mir. «

» Die Bücher sind die
        stehende Armee der Freiheit. «

» Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde. «

» Die größten Städte und Genies
sind unregelmäßig gebauet,
voll Sackgassen und Paläste. «

» Entwirf beim Wein,
         exekutiere beim Kaffee. «

» Man kommt leichter zu jedem
     andern als zu sich. «

» Das Paradies verlieren
und den Paradiesvogel behalten. «

Endlichkeit und Unsterblichkeit- Schritte (6)

 

von Prof. Dr. Ortwin Beisbart

 

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Literatur

 

2/26 Erzählter Humor bei Jean Paul

Kehren wir nach diesem nachdenkenden, reflektorischen Ausflug zum Dichter Jean Paul zurück.

Wieder geht sein Erzählen von der Realität aus, einer Realität nicht nur des Aufwachsens aus allen Träumen, nicht nur der Schilderungen des Sterbens, wie dies an die Berichten in Kampanertal und Selina deutlich wird, sondern einer Realität des geringen Lebens. Da ist nichts von Erhabenheit zu entdecken, sondern nur etwas von „Torheit und eine tolle Welt“ (5,125) und darin aber findet er das Kleine, den Einzelnen in aller Armut und Lächerlichkeit. Er versteht das weder als Parodie noch als Ironie, also auch nicht als Verspottung – aber auch nicht als Resignation vor der mit dem Verstand unlösbaren Herausforderungen von Chancenlosigkeit.

Und so finden sich unter seinen Erzählungen einige, die mit einer humorvollen Bedächtigkeit mit Schicksalen der Kleinheit, der Beschränktheit und der Närrischkeit des Menschen bekannt machen.

Zu Unrecht hat man das in der Folgezeit als „Preis der Idylle“, „Predigt der Bescheidenheit“ als Tugenden bezeichnet. In Wahrheit will Jean Paul gewissermaßen von unten, von der Darstellung dieser Beschränkungen das Ziel der Unendlichkeit erreichen. Vielleicht ähnlich wie Heinrich von Kleist („Über das Marionettentheater“), der „von hinten ins Paradies“ kommen will, weil der Zugang über den Verstand versperrt ist.

Als Beispiel sei hier das „Arme Schulmeisterlein Wuz“ vorgestellt, eine Geschichte, die Jean Paul selbst „eine Art Idylle“ nennt – doch nur eine „Schein-Idylle“? žText 31 Der Tod des Wutz

2/27 Eine Stimme der Kritik

Die Reichweite von Jean Pauls Gedanken bis in unsere Zeit und Vorstellungswelt soll ein weiterer Schritt unserer Begegnung sein.

Bernhard Buschendorf, der 2007 eine Untersuchung zur Selina vorgelegt hat, fasst am Ende zusammen:

„Jean Pauls metaphysische Funktionsbestimmung der Poesie ist uns ebenso fremd geworden wie der Gedanke, die er seinen Werken zugrunde legte. Doch da unsere ästhetische Wahrnehmung nicht rein, sondern kognitiv vororientiert ist, müssen wir versuchen, diese von uns nicht mehr geteilten, uns unvertraut gewordenen oder gar bereits der Vergangenheit anheimgefallenen Ideen auf den mühsamen Wegen historischer Forschung zu rekonstruieren. Nur so ist es uns möglich, den Gehalt und die Form dieser Werke zu verstehen und ihren vollen Glanz zurückzugewinnen.“ (2007, S. 66)

Ob dies richtig gesehen, bzw. ob die Fragestellung einer „metaphysischen Funktionsbestimmung der Poesie“ so richtig ist, muss jeder Leser für sich entscheiden.

2/28 Anfrage an die Moderne

žText 32 ist ein Zitat aus einem Beitrag des katholischen Theologen Johann Baptist Metz. Er kann neugierig machen auf weitere moderne Antworten auf die Jean Paul bedrängenden Fragen.

Sie können dieses Thema fortsetzen, indem Sie sich nun auch modernen Theologen und Dichtern zuwenden. Sie finden dazu Material in einer Broschüre der Gymnasialpädagogischen Materialstelle der Evang.-Luth. Kirche Bayerns.

2/29 Rückblick

Sie sollten sich abschließend noch einmal Gedanken machen, wie Sie mit Jean Paul und seinen Fragen und Antworten zurecht kommen. Sie sollten die verschiedenen eigenen Lösungen noch einmal überblicken.

Vielleicht lässt sich Ihre persönliche Entscheidung am besten in einem kleinen freien Text ausdrücken, erzählend oder reflektierend. Versuchen Sie es.

Vielleicht helfen Ihnen dabei auch noch einige der berühmten kurzen Ideensätze, die der Autor zeitlebens aufgeschrieben hat. Hier noch einige Beispiele

  • 1212: In jedem Kind wird Gott wieder ein Mensch; dieselbe Heiligkeit, Bedürfniß p. Alles ist schwach, nichts ist schlecht….
  • 1254: Da der Mensch ein Bedürfnis des Unendlichen und Wunderbaren hat; so will ihm ein aufgeklärtes Christenthum aus Mangel daran kahl und leer erscheinen. aber zeigt ihnen nur das Unergründliche im Welt- und Lebensbau: so habt ihr mehr als ergänzt.
  • 1269: Mein Dank an Gott: Du hast mir Klarheit gegeben und Stiller über allen Wogen des Herzens und der Zeit! – Ich sehe und fühle zugleich und beides gleich stark. Ich war kein Kalter, wenn ich philosophierte und die Gesetze der Darstellung erwog; ich war kein Heißer, wenn ich mit Thränen im Auge nie erlebte Szenen der Wonne und Liebe darstellte; ich wußte immer alles, und sogar im Sterben wird ich merken daß ich sterbe, und also nicht mehr bemerke. Doch letzteres ist mir einerlei; ob ich vergehe, wenn ich nur gehe; oben bleibt mir doch der treu, der nicht vergeht, weil er nie entsteht.
  • 1426: Wenn künftig die Zeit nicht vernichtet wird, sind wir alle nichtig und vernichtet.

(Alle aus Ideengewimmel 1996)

  • Wir brauchen den Himmel, um die Erde zu messen – Sterne, um unsern Stern zu kennen – die zweite Welt, um das Leben zu kennen – Gott, um uns zu kennen.

(Aus: Dichtungen 2, 1797, Nr. 431 [530], SW II,6, S. 102.)

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