» Die Tat ist die Zunge des Herzens.«

» Entwirf beim Wein,
         exekutiere beim Kaffee. «

» Die Blumen schlafen,
         aber nicht das Gras. «

» Man verdirbt unter Leuten,
die einen nicht übertreffen. «

     » Die Poesie ist die Aussicht
aus dem Krankenzimmer des Lebens. «

» Ich merke Namen so wenig,
daß ich oft vor dem Spiegel frage,
wie heißt der darin? «

» Eine Blattlaus hat mehr Ahnen
   als ein Elephant. «

» Die größten Städte und Genies
sind unregelmäßig gebauet,
voll Sackgassen und Paläste. «

» Er ist ein besonderer Freund
       – von Feinden. «

» Niemand hat weniger Ehrgefühl
      als eine Regierung. «

» Die Bücher sind die
        stehende Armee der Freiheit. «

» Das Paradies verlieren
und den Paradiesvogel behalten. «

» Nichts ist fataler, als wenn gerade
die letzte Flasche altes Bier schlecht ist. «

» Ein Rathhaus gehört zum Hausrath
       einer Stadt. «

     » Manches »Gesuchte« wäre es nicht,
        wenn der Verfasser mehr suchte. «

» Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde. «

» Jeden Tag
     mache dich auf viele Wunder gefaßt. «

» Eine Demokratie ohne ein paar hundert Widersprechkünstler ist undenkbar. «

» Hätte ich keine Bücher zu schreiben: ich wäre der beste Ehemann. «

» Ein Kind sei euch heiliger als die
   Gegenwart, die aus Sachen
     und Erwachsenen besteht. «

» Bei Gott, alle Welt spricht,
und niemand kommt zu Wort. «

» Was alles Böses gegen das Bier
     bei Philosophen gesagt wird,
         gilt nicht bei mir. «

» Auf der Welt ist alles natürlich,
       ausgenommen die Welt selber. «

» Man kommt leichter zu jedem
     andern als zu sich. «

» Weiber sprechen lieber von,
          Männer in der Liebe. «

» Unter Denken eines bösen Gedankens
     auf der Gasse ehrerbietig gegrüßt werden. «

Jean Pauls ICH-Suche - Schritte (5)

 

 

von Ortwin Beisbart

 

Übersicht und Struktur des Materials zu "Jean Pauls Ich-Suche - Der Mensch als Titan"

Texte "Jean Pauls Ich-Suche - Der Mensch als Titan"

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Hinweise und Literatur

 

2.  Liane und Albano
Im zweiten Band des Buches wird er mit von Froulay, einem allmächtigen (und pompös selbstherrlichen) Minister des Fürstenhofs, und dessen Familie, vor allem aber den beiden Kindern des Ministers und seiner Frau, den Geschwistern Liane und Roquairol bekannt, auf deren Gesellschaft er sich schon gefreut hat.

Schon die Vorbereitung auf die erste Begegnung mit Liane zeigt die Stimmung. Text 23
Albano begegnet Liane zum ersten Mal, als sie an einer Krankheit der Augen litt, blind war, die man vielleicht als psychopathische Unfähigkeit etwas wahrzunehmen, bezeichnen kann. Vielleicht also auch eine gewisse Scheu gegen Licht im übertragenen Sinne – aber es ist nicht das Licht der Aufklärung, sondern gewissermaßen das zu Grelle alles Irdischen.
Diese Begegnung wird in besonderer Weise vorbereitet. Es ist Nacht, ein geheimnisvoller, mondbeschienener Park mit seinen Brunnen und anderen Effekten bilden die Umgebung. Der Erzähler sinniert über die Bedeutung von Vergangenheit (Erinnerung) und vorgestellter Zu-kunft,  hin und her gerissen zwischen dem Wunsch etwas Schönes möge wieder aufhören und der Hoffnung, dass das Erwünschte noch etwa ausbleibt.

Vielleicht war unser Verständnis von „Normalität“ doch falsch. In Liane begegnet Albano einer Gestalt, die etwas Überirdisches hat oder ausstrahlt.
So finden wir noch weitere Stellen: Im Park Lilar sieht Albano Liane von ferne: Text 24

An anderer Stelle wird sie zum Engel, zu einer Heiligen für Albano, der sie in ihrem Hause, ihrem Zimmer, das sie mit Rabette zusammen bewohnt, besucht. Man plant einen Spaziergang:

„Nach einer halben Ewigkeit der Ankleidung – da in der Nähe der Geliebten eine Stunde der Abwesenheit länger dauert als ein Monat in der Ferne – traten die reisefertigen Mädchen im schwarzen Schmucke der Bräute herein.  Wie reizend stehen Rabetten die Rosen im dunkeln Haar […] Und Liane – ich rede nicht von dieser Heiligen. Sogar der gute alte Direktor musste, als ihn das fromme Angesicht unter dem bloß einfach und nonnenhaft herübergelegten weißen Kopfschleier von indischer, mit Goldlahn besprengter Mousseline kindlich anblickte, seinem Wohlgefallen die Worte geben: ‚wie eine Nonne, wie ein Engel!’“ (3,339, Z. 18-30)
.
Sie treffen noch ihren 80 Jahre alten Hofprediger Joachim Spener. Und der äußert sich ange-sichts der Liebenden  über die Möglichkeiten und Grenzen der Liebe. Text 25  

Albano wehrt sich gegen solche Gedanken. Er will Ewigkeit hier und jetzt und so schließt er den Bund.

2/15 Der Liebesbund Abanos mit Liane
Albano erlebt diese beglückenden Begegnungen in einer Landschaft, die man nur als eine Traumlandschaft bezeichnen kann – die alle Störungen vergessen lassen kann. Das ist wirk-lichkeitsfern, realitätsblind, aber das bleibt Albano in solchen Momenten des Erlebens ebenso unbemerkt wie die Erfahrung der Endlichkeit.
Doch diese Liebe, weltfern und abgehoben – steigert sich noch. Bezeichnenderweise in Park Lilar, also wohl doch an einem Ort paradiesischer oder märchenhafter Abgeschiedenheit, der wenig mit der Realität des Lebens zu tun hat. Text 26


2/16 Albanos innerer Kampf
Albano kämpft weiter um die Qualität seiner Liebe, die zu Liane wie die zu seinem Freund Roquairol. Einige Stellen aus dem 67. Zykel mit der Überschrift  „Der Mann und das Weib“ können dies belegen. Text 27

Doch zunehmend wird Albano – aus seinem Traum herausgerissen, er erlebt ein „Ausgesetzt-sein in der Welt“ – die Freunde und Begleiter gewinnen nach solch schwärmerischer Selbst-findung Kontur, was mit reflexiver Distanz verbunden ist, sie sind Widerpart, die zugleich seine Erfahrungen erweitern.
Liane wird das Symbol des Scheiterns im bloßen schwärmerischen Sein, das zudem todes-süchtig genannt werden muss. Sie, die in ihren Gedanken immer auch den Tod mit sich trägt, wohl ahnend, dass sie eine tödliche Krankheit in sich hat – lässt ihn wüten, kämpfen gegen ihre Todessehnsucht (72. Zykel) und kann – sie kann nicht mehr unkontrolliert mit ihm spre-chen – nicht seine Zweifel verhindern, obwohl sie selbst in ihrem Glauben an ihre Liebe fest bleibt. Es ist zuerst ihre Abhängigkeit von Heiratsplänen des Vaters aus Berechnung, wodurch sie in ein teuflisches Spiel von Lüge und Zwang gerät, zudem im elterlichen Hause eingesperrt wird. Sie sieht sich als „eine junge, athmende, weiche Gestalt unter steinernen angestrichenen Statuen“ (SW I, 9, S. 82).
Sie stirbt schließlich, im Glauben, nur so ihre wahre Identität bewahren zu können. Text 28

Dieser Tod bedeutet für Albano eine Katastrophe und den Verlust seiner Hoffnung, dass eine wirkliche Ich-Du-Beziehung möglich ist.
Er erkrankt, ein Heil-Schlaf bringt ihn wieder ins Leben zurück, nicht zuletzt aber die insze-nierte Geistererscheinung Lianes durch Idoine, die „Gesichts- und Seelenschwester“, eine Freundin Lindas. Als einen Traum erzählt Albano diese Erscheinung, deren Namen er (noch) nicht erfährt (Hanser 3, S. 552-556) – und er wird im Anschluss daran durch eine Romreise mit neuen Erfahrungen und Eindrücken konfrontiert; denn er ist noch nicht am Ziel. Umso schlimmer, weil auch weitere freundschaftliche Beziehungen tragisch enden oder schon geen-det haben. Dies auch für die anderen. – Rabette verfällt den Werbungen Roquairols, die im Roman in allen Phasen seiner teuflischen Verführungskünstler an dem naiven Mädchen geschildert werden, bis er sie schließlich entehrt verstößt. Text 29  (Hanser 3, 315-318, 60. Zykel)

2/17 Albanos Freund Roquairol
Dem großen Schmerz über Liane geht Albanos Enttäuschung voraus, eben die mit Lianes Bruder und seinem Freund Roquairol.
Er ist mit Albano gleichaltrig und gehört zu den Kreisen am Hof, als Kammerherr und Offi-zier. Und so begegnet er ihm das erste Mal – beim Trauerzug für den verstorbenen Fürsten (den wahren Vater Albanos). Text 29
Danach stellt er sich vor, indem er einen Sprung ins Wasser als scheinbaren Selbstmord voll-führt und danach sein Handeln charakterisiert. Doch was Roquairol theatralisch ich-bezogen treibt, ist zugleich witzig gemeint, weltironisch, aber nicht resignativ, sondern voller arroganter Angeberei. Text 30

2/18 Roquairol: Identität und Phantasie
Roquairol ist eine faszinierende Gestalt; er wird tatsächlich – wie schon vorher gewünscht – Albanos Freund, und der Leser erkennt bald, dass er gewissermaßen etwas von dem hat, was Albano auch besitzt oder sich zu besitzen wünscht: Phantasie.
Jean Paul hat sich diese Figur am wenigsten nur ausgedacht, sie ist auch ein Produkt seines Zeitalters, wie er selbst sagt. Aber sicher gilt dies nicht nur für die beginnende „Romantik“.

Hier sollten Sie – im Blick auf die Suche nach der Bestimmung von Identität – einen Blick auf die Phantasie werfen, die in Jean Pauls Epoche in vielen Schattierungen entdeckt, diskutiert und erprobt ist – und ebenso heftig bekämpft wurde.
Text 31 Phantasie als Kennzeichen des Individuums, des Ichs, der Identität.

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