» Ein Rathhaus gehört zum Hausrath
       einer Stadt. «

» Die Bücher sind die
        stehende Armee der Freiheit. «

» Jeden Tag
     mache dich auf viele Wunder gefaßt. «

» Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde. «

» Auf der Welt ist alles natürlich,
       ausgenommen die Welt selber. «

» Man kommt leichter zu jedem
     andern als zu sich. «

» Die größten Städte und Genies
sind unregelmäßig gebauet,
voll Sackgassen und Paläste. «

» Eine Blattlaus hat mehr Ahnen
   als ein Elephant. «

» Entwirf beim Wein,
         exekutiere beim Kaffee. «

     » Manches »Gesuchte« wäre es nicht,
        wenn der Verfasser mehr suchte. «

     » Die Poesie ist die Aussicht
aus dem Krankenzimmer des Lebens. «

» Das Paradies verlieren
und den Paradiesvogel behalten. «

» Man verdirbt unter Leuten,
die einen nicht übertreffen. «

» Die Tat ist die Zunge des Herzens.«

» Er ist ein besonderer Freund
       – von Feinden. «

» Hätte ich keine Bücher zu schreiben: ich wäre der beste Ehemann. «

» Bei Gott, alle Welt spricht,
und niemand kommt zu Wort. «

» Was alles Böses gegen das Bier
     bei Philosophen gesagt wird,
         gilt nicht bei mir. «

» Eine Demokratie ohne ein paar hundert Widersprechkünstler ist undenkbar. «

» Die Blumen schlafen,
         aber nicht das Gras. «

» Niemand hat weniger Ehrgefühl
      als eine Regierung. «

» Ich merke Namen so wenig,
daß ich oft vor dem Spiegel frage,
wie heißt der darin? «

» Weiber sprechen lieber von,
          Männer in der Liebe. «

» Unter Denken eines bösen Gedankens
     auf der Gasse ehrerbietig gegrüßt werden. «

» Ein Kind sei euch heiliger als die
   Gegenwart, die aus Sachen
     und Erwachsenen besteht. «

» Nichts ist fataler, als wenn gerade
die letzte Flasche altes Bier schlecht ist. «

Jean Pauls ICH-Suche - Schritte (6)

 

von Ortwin Beisbart

 

Übersicht und Struktur des Materials zu "Jean Pauls Ich-Suche - Der Mensch als Titan"

Texte "Jean Pauls Ich-Suche - Der Mensch als Titan"

Zur Textübersicht

Hinweise und Literatur

 

2/19 Die Doppelnatur Roquairol
Roquairol ist von Anfang an als Doppelnatur gedacht – er hat am deutlichsten die „zwei Seelen“ in seiner Brust, die in ständigem Kampf miteinander stehen. Er hat deshalb auch zwei Namen, denn Karl, sein anderer Name, ist das bessere Ich, an das sich auch Albano immer wieder halten will. Auch nimmt er sich vor, angesichts Albanos besseren Ichs seine Flatter-haftigkeit und Bosheit zu überwinden. Text 32

Doch Roquairol – der sich ja schon als Phantast und Spieler, ja Spieler mit dem eigenen Tod  vorgestellt hatte – zerstört alle Beziehungen.
So mit der (Stief-)-Schwester Albanos, Rabette Wehrfritz, die dem Verführer Roquairol er-liegt, die er liebt. Er umgarnt und beschwatzt sie in ihrer Sprachlosigkeit, verführt sie und lässt sie schließlich sitzen.
In diese Geschichte hat Jean Paul sein ganzes Programm einer notwendigen gleichartigen Erziehung der Mädchen hineingelegt – am Beispiel der Schritte, wie Roquairol das unerfah-rene und ungebildete Mädchen verführt. Erzählt wird zunächst die lange Geschichte seiner Freundschaft mit Rabette. Text 33

Roquairol ist nicht nur der intellektuelle, phantasievolle und kritische Geist, sondern er wird die Personifikation des Diabolischen, der von Täuschung und leeren Spiel lebt – durch Lüge und Verstellung auf Kosten der Partner wie auf Kosten des eigenen Selbst.
In einem langen Brief an Albano geht es schließlich um seine klarsichtige Abrechnung mit sich und seinem Freund. Text 34
Dass Roquairol schließlich im Selbstmord endet, theatralisch inszeniert, ist in einem solchen Roman der klaren Konturierungen unausweichlich. Die vollständige Schilderung steht im 130. Zykel, Hanser 3,S. 745-756. htttp//:gutenberg.spiegel.de/Jean Paul /Titan (Kapitel 150 und 151).

2/20 Die Reise nach Italien
So endet der Weg mit diesen beiden „einkräftigen“ Freunden, mit Menschen, die etwas Tita-nisches besitzen, aber nicht aus ihrer Einseitigkeit, ihrer „Einkräftigkeit“ herausfinden, für Albano enttäuschend – was nicht ohne Wirkung auf ihn ist.
 
Dennoch: Er findet nicht selbst einen Ausweg aus unverarbeiteter Selbstbezüglichkeit, die ja auch mit Schuldgefühlen verbunden war: Die Reise wird ihm verordnet. Gasparo plant sie nach Italien. Es ist seiner Sicht, d.h. eben in der Sicht der Epoche, in der der Roman spielt, das Ziel, eine Bildungsreise zu den Wurzeln der abendländischen Kultur, Kunst und Ge-schichte – wie sie viele Adelige und wohlhabende Bürger, zumal wenn sie sich auf öffentliche Aufgaben vorbereiten sollten, auch unternahmen.
Indem auch Dian, ein Lehrer seiner Jugendzeit und Kenner der Antike, mitreist, scheint alles auf gutem Wege zu sein.

Die Italienreise Goethes – bei ihm allerdings eine Flucht aus beruflichen Zwängen, in dem jede freie Entfaltung der Phantasie unmöglich geworden war und einem unsicher gewordenen Liebesverhältnis zu Charlotte vom Stein, dessen Erwartungen und Rücksichtnahmen er nicht mehr tragen wollte – sei nur als ein Beispiel genannt.


2/21  Der Liebende und die Frauen
Nun lernt Albano drei Frauen genauer kennen, zwei begleiten ihn bis zum Ende des Romans: das sind Julienne und Idoine. Aber eine wird vorrangig wichtig: Linda. Die Erziehergesell-schaft – allen voran Gasparo – ist der Meinung, er brauche auf seinem Lebensweg eine Part-nerin, eine andere als Liane. So soll die Verbindung mit Linda eingefädelt werden.

Die erste Begegnung mit Linda wird als „große Oper“ inszeniert. Auf einer nächtlichen Fahrt nach Ischia erscheint sie ihm im Angesicht des nächtlichen Vesuvs und seines Donners und Feuers und weiterer großer Naturbilder wie eine Mondgöttin:

„Als sie den Schleier hob, strömte Schönheit und Glanz aus einer aufgehenden Sonne, zarte jungfräuliche Farben, liebliche Linien und süße Fülle der Jugend  spielten, ei eine Blumen-kranz um eine Götterstirn, mit weichen Blüten um den heiligen Ernst und mächtigen willen auf Stirn und Lippe und um die dunkel Glut des großen Auges.“ (3, S. 621, Z. 1-7)

Es sind aber – auf der Reise und nach der Rückkehr, als er schon erfahren hat, dass er der Fürstensohn ist – eben drei junge Frauen, in deren Begegnung er sich orientieren, auf deren Wesen er wahrnehmend und handelnd eingehen muss, um zu seinem ich zu finden.
Aus einer kurzen Szene lässt sich der unterschiedliche Charakter der drei Frauen deutlich er-fahren. Text 35

Albano erlebt mit Linda eine emanzipierte Frau.
Sie kam z.B. Frau Froulay so vor: ihr „kecker, entschiedner, philosophischer Ton“ schien ihr „unweiblich und eine Trommete an zwei Frauen-Lippen zu sein“ (3,713, Z. 25-27) (125. Zyk-el)
Im weiteren Verlauf des Gesprächs wird das auch besonders deutlich:
„Julienne hatte schon einigemal, aber vergeblich, nach dem Steuerruder der Zeit und Rede gehascht, um ihren Plan zu vollführen; jetzt, da sie Lindas Schweigen, Rührung und Träumen bemerkte, glaubte sie die lang' erwartete günstige Stunde zu treffen, wo einige Worte, die Idoine über die Ehe ausstreuete, in Linda einen aufgeweichten Boden für ihre Wurzeln finden würden. Durch die leichte Wendung eines Lobs, daß sie Idoinen über ihren mutigen Widerstand gegen das Schiffziehen in einer verhaßten Fürsten-Ehe und über den Gewinn eines ewigen Jugendlebens gab, brachte sie die Gräfin dazu, ihren ketzerischen Haß gegen die Ehe zu offenbaren und zu sagen, daß diese die Blume mit einem scharfen Eisenringe an ihren Stab peinlich gefangen lege – daß Liebe ohne Freiheit und aus Pflicht nichts sei als Heuchelei und Haß – und daß das Handeln nach der sogenannten Moral so viel sei, als wenn einer nach der Logik, die er vor sich hätte, denken oder dichten wollte, und daß die Energie, der Wille, das Herz der Liebe etwas Höheres sei als Moral und Logik.“
(Hanser 3, 719, Z. 25 - 3, 720, Z.6)

Linda  ist eine Frau, die jedwede Bindung verabscheut, jedwede Vernunft und Moral als nicht leitend bezeichnet, jedwede Bindung an eine Welt außerhalb der Zweierbeziehung leugnet.
Diese Weise zu leben konnte Jean Paul in der Begegnung mit seiner Freundin Charlotte von Kalb, geb. von Ostheim (geb. 1761)  studieren. Text 36

Der Lebensentwurf Lindas muss scheitern, das ist dem Autor klar und er zeigt dies daran, dass sie ihren eigenen Maximen nicht gerecht werden kann:
Als Linda erkennt, dass sie in Idoine eine ernsthafte Konkurrentin in ihrem Werben um Alba-no bekommen hat, steigert sie sich in ihrer Liebe – und wird durch diese Blindheit zur Betro-genen: Der als Albano auftretende Roquairol verführt auch sie und inszeniert danach seinen Selbstmord – und  das ausgerechnet in „Arkadien“.
In einer letzten Begegnung mit Albano erfährt sie, dass sie verführt worden war – und sie trennen sich voller Verzweiflung. „’Weiche auf ewig von mir, ich bin seine Witwe [gemeint: des toten Roquairol]!’ sagte sie feierlich. – ‚Das bleibst du’, sagt’ er hart. […]
Albano reagiert wahrlich hart. Ausführlicher Text 37

Diese Trennung, die vielleicht auch einen kleinen Einblick in die Identität Jean Pauls gibt  – der vielleicht schon aus damaliger, aber sicher aus heutiger Sicht der selbstbewusstesten der Frauengestalten im Roman auch Unrecht tut –, wird  auch in der Forschungsliteratur disku-tiert. Text 38

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95444 Bayreuth

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