» Man verdirbt unter Leuten,
die einen nicht übertreffen. «

» Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde. «

» Was alles Böses gegen das Bier
     bei Philosophen gesagt wird,
         gilt nicht bei mir. «

» Weiber sprechen lieber von,
          Männer in der Liebe. «

» Entwirf beim Wein,
         exekutiere beim Kaffee. «

» Niemand hat weniger Ehrgefühl
      als eine Regierung. «

» Nichts ist fataler, als wenn gerade
die letzte Flasche altes Bier schlecht ist. «

     » Die Poesie ist die Aussicht
aus dem Krankenzimmer des Lebens. «

» Die Bücher sind die
        stehende Armee der Freiheit. «

» Das Paradies verlieren
und den Paradiesvogel behalten. «

» Die Tat ist die Zunge des Herzens.«

     » Manches »Gesuchte« wäre es nicht,
        wenn der Verfasser mehr suchte. «

» Er ist ein besonderer Freund
       – von Feinden. «

» Auf der Welt ist alles natürlich,
       ausgenommen die Welt selber. «

» Die größten Städte und Genies
sind unregelmäßig gebauet,
voll Sackgassen und Paläste. «

» Man kommt leichter zu jedem
     andern als zu sich. «

» Eine Blattlaus hat mehr Ahnen
   als ein Elephant. «

» Eine Demokratie ohne ein paar hundert Widersprechkünstler ist undenkbar. «

» Unter Denken eines bösen Gedankens
     auf der Gasse ehrerbietig gegrüßt werden. «

» Hätte ich keine Bücher zu schreiben: ich wäre der beste Ehemann. «

» Jeden Tag
     mache dich auf viele Wunder gefaßt. «

» Ich merke Namen so wenig,
daß ich oft vor dem Spiegel frage,
wie heißt der darin? «

» Ein Kind sei euch heiliger als die
   Gegenwart, die aus Sachen
     und Erwachsenen besteht. «

» Die Blumen schlafen,
         aber nicht das Gras. «

» Bei Gott, alle Welt spricht,
und niemand kommt zu Wort. «

» Ein Rathhaus gehört zum Hausrath
       einer Stadt. «

Die Natur – Schrecken und Trost Kontexte (3)

 

von Prof. Dr. Walter Sparn

Physikotheologie_vollständig

Übersicht

Materialien, Arbeitsanregungen, Texte

 

 B. Kontexte

2.3 Träume können Trost bringen, stürzen aber auch in Schrecken. Es kann einem ein „Traum vom Himmel“ seinen „Edenduft“ spüren lassen, es kann einem aber auch das „Bild der Hölle“ in die Seele fallen (Die unsichtbare Loge: I/1, 396-398; Dichtungen 1: Ideen-Gewimmel Nr. 1615). Der späte Jean Paul „will lieber 10 Höllen als 1 Himmel malen; mit dem Erleben ists umgekehrt“ (Gedanken 8, 1812: Ideen-Gewimmel Nr. 349). Auch die Poesie ändert daran nichts, dass ein Mensch in der „ersten Welt“, d.h. in der irdischen Natur trotz der „herzlichen Liebe“, zu der sie entzückt, nicht seine endgültige Heimat finden kann. Die Erdkugel liegt noch „im Schatten. Aber der Mensch ist höher als sein Ort: er sieht empor und schlägt die Flügel seiner Seele auf, und wenn die sechzig Minuten, die wir sechzig Jahre nennen, ausgeschlagen haben: so erhebt er sich und entzündet sich steigend, und die Asche seines Gefieders fället zurück, und die enthüllte Seele kömmt allein, ohne Erde und rein wie ein Ton,  in der Höhe an - - Hier aber sieht er mitten im verdunkelten Leben des Gebirge der künftigen Welt im Morgengolde einer Sonne stehen, die hienieden nicht aufgeht ...“ (Quintus Fixlein, I/4, 62)

Als Gründe für das tiefe Ungenügen am Irdischen nennt Jean Paul u.a. die literarisch, auch philosophisch und theologisch immer schon reflektierte Erfahrung, dass die erschütternden Leiden der Menschen schwerer wiegen als ihre Freuden: „Da einmal ein Engel die Leiden der Menschen und die Freuden der Menschen ansah: so weint er – worüber? ach über die Freuden, daß sie so klein sind! Und so theuer!“ (Dichtungen 1, 1790: Ideen-Gewimmel Nr. 267). Jean Paul arrangiert sich nicht mit dem alten Theodizee-Argument, dass Schönes und Hässliches erst zusammen die Vollkommenheit der Welt ausmachen (noch u seinen Lebzeiten  wird Arthur Schopenhauer dieses Argument als zynisch abweisen). Er benennt aber auch zwei spezifisch moderne Gründe: die Entzauberung der einst lebendigen Natur zur mechanischen Maschine und, ganz im Sinne I. Kants, die den Menschen vernichtende Unendlichkeit des Universums. Schon der bloße Gedanke der Zeit lässt das flüchtige Jetzt so nichtig erscheinen „wie es der Raum des Himmels mit unserm Erdenplatze thut“ (Dichtungen 3, 1819: Ideen-Gewimmel Nr. 1465; zur „Weltgröße vgl. Nr. 1457, zur „Zeitflucht“ Nr. 1403). „Für den, der das Unendliche des All recht anschauet und durchfühlt[!], ist es etwas Furchtbares und Großes, nur zu existieren“ (ebd. Nr. 1466; vgl. Nr. 1458).

„Wenn künftig die Zeit nicht vernichtet wird, sind wir alle nichtig und vernichtet“ (Gedanken 10, 1817: Ideen-Gewimmel Nr. 1426; vgl. auch Nr. 1425, Nr. 1441): In der Perspektive des Universums bzw. angesichts der Kleinheit, Leerheit und Sterblichkeit der irdischen sinnlichen Welt ist für Jean Paul – hierin mit allen frommen Aufklärern einig – das „Bedürfnis der Unsterblichkeit“ unabweislich. Das Postulat einer Ewigkeit jenseits der vergehenden Zeit und des beschränkenden Raumes verlangt den Glauben – I. Kant nennt ihn „moralischen Glauben“ – an die Unsterblichkeit der individuellen Seele und an die göttliche Vorsehung, die den Weg der „inneren Menschen“ aus der äußeren Welt in die „zweite Welt“, hin zu einem „andern Morgen“ verbürgt. „Vorsehung. Unbewusst glaubt der Mensch daran, und an einen Gott; sonst müßt’ er ja in jeder Minute zittern und auf keine nächste rechnen, weil in der Herrschaft des Zufalls und in den allgemeinen Gesetzen nicht die kleinste Bürgschaft für Glücks Fortdauer ist“ (Philos. Untersuchungen 4, 1821: Ideen-Gewimmel Nr. 1267).
Der frühe Jean Paul fragt, warum der „Genius“, der die Erde so schön machte, uns nicht die „Sehnsucht nach einer bessern“ nahm, und meint, dass niemand einen „Himmel nach dem Tode“ glauben können, weil er sonst „in täglicher Entzükkung“ wäre. Aber auch hier galt: „Suche nichts auf der Erde, du findest nur Gräber zu schlafen, oder Berge, zu träumen; auf diesen lässest du die Wünsche, die du in jenen beschliessest“ (Dichtungen 1, 1790: Ideen-Gewimmel Nr. 1411, Nr. 1617). Noch der späte Jean Paul meint, dass dies auf höhere Weise wahre Träumen an den „Bergen“ die Aufgabe des Dichters sei. „Für den Dichter gilt der Optimismus: seine Welt muss die beste sein und alle Übel auflösen“ (Gedanken 10, 1817: Ideen-Gewimmel Nr. 225).
Mit seiner Aufforderung, im Himmel „noch einen fernen Himmel“ zu sehen und an „fernere Ziele“ zu denken (ebd. Nr. 1456, Nr. 1469) beteiligte sich Jean Paul an einer der wichtigsten Diskussionen seiner Zeit. Der christliche Glaube an die „Auferstehung des Fleisches“ im Jüngsten Gericht verblasste; an seine Stelle trat die (nur bei Materialisten nicht als vernünftig geltende) ältere Überzeugung, dass die Seele des Menschen dessen leiblichen Tod überdaure. Allerdings geriet deren traditionelle, metaphysische Begründung (aus der Immaterialität der Geistseele) mit I. Kants Begrenzung möglichen Wissens in Wegfall. Auch Jean Paul sieht klar die nun als solche erkannte „notwendige Unwissenheit des Menschen“, nämlich „über unsere Verbindung mit dem Körper und die über die Verbindung mit der zweiten Welt.“ (Kampaner Tal: I/4, 620).
Das Kampaner Tal (1797) und die postume Selina (1827) diskutieren die neue Lösung: den Rekurs auf das Entwicklungsstreben des menschlichen Selbstbewusstsein, das ins Unendliche geht; die Neubestimmung des Todes als Transformation des Lebenskeimes („Palingenesie“, von Jean Paul schon für biographische Transformationen gebraucht) und die Imagination eines „Jenseits“ (ein neues Wort!), das den nicht mehr lokalisierbaren Himmel nun in eine „höhere  Welt“ der seligen Geister, z.B. auf ferne Planeten verlegt. Wichtige Autoren hierfür waren Johann Joachim Spalding, Charles Bonnet, Moses Mendelssohn, Gotthold Ephraim Lessing („Reinkarnation“), Johann Kaspar Lavater. Der Ich-Erzähler im Kampaner Tal setzt sich v.a. in der 503. Station explizit mit den Positionen I. Kants und Johann Gottlieb Fichtes auseinander, z.T. auch auf der Linie des für die vorhin Genannten wichtigen, „genialischen“ Leibniz (I/4, 588f) oder beruft sich für seine Annahme einer „Verklärung“ des Menschen in der 507. Station auf den „genialischen“ Johann Georg Hamann (I/4, 623 Anm.).
Der alte Jean Paul votiert so: „Letzte Antwort: das Herz. Nun für dieses wird schon künftig der sorgen, der die Zeit herausgab aus seiner Ewigkeit und der wieder diese hineinlagert neben jene ins Herz. Erschüttert dich noch zu sehr das Flüssige, Fliegende des Lebens: so schau den alten Festen an, Gott! (Trostantwort auf Ottomars Klage über die Zeitlichkeit des Lebens, 1825: II/3, 1086-1091, hier 1091; vgl. die Erzählung vom „letzten Menschen“ in der Zeit,in Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht [1799-1800]: I/4, 1133f., sowie „Mein Dank an Gott“, Vita 1814: Ideen-Gewimmel Nr. 1269).
 
2.4 Der wichtigste Unterschied Jean Pauls zu den rationalen „Kantianern“, aber auch zu der eher paradoxen Verbindung von Erde und Himmel, von Vernunft und Glaube bei seinem sonst wichtigsten philosophischen Gewährsmann F.H. Jacobi besteht darin, dass er eine neue, poetische ‚Physikotheologie’ entwickelt. Die Redeweise von den vier Priestern im „weiten Dom der Natur“ in der Unsichtbaren Loge von 1793 (A Nr. 4) ist dafür eines der vielen Beispiele. Ein weiteres aus demselben Werk: „Es dämmerte.... die Natur war ein stummes Gebet.... Der Mensch stand erhabener wie eine Sonne darin; denn sein Herz fasste die Sprache Gottes.... aber wenn in das Herz diese Sprache kommt und es zu groß wird für seine Brust und seine Welt: so hauchet der große Genius, den es denkt und liebt, die stillende Liebe zu den Menschen in den stürmenden Busen, und der Unendliche lässet sich von uns sanft an den Endlichen lieben....“ (I/1, 395).
Von der früheren Physikotheologie unterscheidet sich Jean Paul darin, dass er die Natur nicht nur sekundär oder zufällig auch dichterisch, sondern wesentlich poetisch auffasst; er hat nicht eine ‚objektive’ Natur („stummes[!] Gebet“), sondern die Korrespondenz von Naturerleben und Selbsterleben zum Gegenstand hat; darin sind ihm Matthias Claudius oder Johann Peter Hebel vergleichbar. Aber deutlicher als sie bewegt sich Jean Paul in dem anthropologischen Horizont, auf den die Aufklärung des 18. Jahrhunderts die abendländische Natur-Metaphysik zurücknahm. Auch das Sehen und Hören der Natur als Schöpfung Gottes, d.h. die Verbindung des Naturbildes mit dem Schöpferglauben ist eine subjektiv, im „Gefühl des Ich“ (Dichtungen 1, 1790: Ideen-Gewimmel Nr. 1207) begründete Möglichkeit – die allerdings sich als eine das Irdische transzendierende Bewegung realisiert. Jean Pauls Gottesgewissheit beruht, wie die der unsterblichen Seele, auf einer inneren Welt:
„Es gibt eine innere, in unserem Herzen hängende Geisterwelt, die mitten aus dem Gewölke der Körperwelt wie eine warme Sonne bricht. Ich meine das innere Universum der Tugend, der Schönheit und der Wahrheit, drei innere Himmel und Welten, die weder Teile noch Ausflüsse und Absenke noch Kopien der äußeren sind. Wir staunen darum weniger über das unbegreifliche Dasein dieser transzendenten[!] Himmelsgloben, weil sie immer vor[!] uns schweben, und weil wir töricht wähnen, wir erschaffen sie, während wir sie doch bloß erkennen. Nach welchem Vorbild, mit welcher plastischen Natur und woraus könnten wir alle dieselbe Geisterwelt in uns hineinschaffen?“ (Das Kampaner Tal, I/4, 611).
Jean Paul beschränkt sich jedoch nicht, wie I. Kant und seine Schule, auf Ethikotheologie, d.h. auf den praktisch-vernünftigen Glaube an einen Gott, der die irdische Diskrepanz von Tugend und Glückseligkeit dereinst auszugleichen vermag, sondern bezieht die sicht- und hörbare Natur in seinen Gottesglauben und Gottesdienst ein; auch der „Dreiklang der Tugend, der Wahrheit und der Schönheit“ ist „aus einer Sphärenmusik genommen“ (I/4, 612). In seiner  ‚Physikotheologie’ geht Jean Paul andererseits nicht so weit wie manche Zeitgenossen, die in Rezeption Baruch Spinozas die lebendige Natur mit dem schöpferischen Gott ineins setzten, wie in mancher Hinsicht schon Goethe, in der beginnenden Romantik vor allem Novalis oder Friedrich Schleiermacher in seinen „Reden über Religion“ von 1799; wie F.H. Jacobi lehnt Jean Paul den aktuellen Pantheismus ab – obwohl eine Formulierung wie „alles ist göttlich oder Gott“ (s.o.) ihm ganz nahe kommt.
So dokumentiert auch Jean Pauls ‚Physikotheologie’ eine zeittypische und gegenüber seiner theologischen Tradition durchaus erhebliche Veränderung des Begriffs „Schöpfung“ und der Rede von „Gott“. Die Lebensregeln, die das letzte Kapitel des Quintus Fixlein (1796) mitteilt, schließen mit der Aufforderung „Halte ... die Freude für eine Sekunde, den Schmerz für eine Minute, das Leben für einen Tag und drei Dinge für alles: Gott, die Schöpfung, die Tugend!“ (I/4, 186). Das Kampaner Tal (1797) nennt in einer wichtigen Anmerkung als bestes Symbol der Schöpfung die „verhüllte Allmacht“, womit der Mensch seine Ideenreihe ordnet, d.h.  schafft, und „in diese Schöpfung hüllt sich das erhabene Rätsel unserer moralischen Freiheit ein.“ (I/4, 589 Anm.). So wundert es nicht, dass Jean Paul gegen die traditionelle Formel „Schöpfung aus dem Nichts“ in den Philosophischen Untersuchungen 3 (1801) einwendet, Gott könne nur aus dem Absoluten die Welt erschaffen: „Er selber ist ja ein Etwas, woraus[!] ers gemacht (Ideen-Gewimmel Nr. 1266).
Der Autor Jean Paul hält am „theistischen“ Gottesbegriff fest, d.h. an einem von der Welt unterschiedenen Wesen; das expressive Gebet und die Liebe „vor Gottes Angesicht“ (I/1, 64) spielt in seiner ‚Physikotheologie’ eine wichtige Rolle. Das wichtigste Motiv ist die Natur in der Spannbreite ihrer Präsenz als friedliche Idylle einerseits („vor dem unendlichen Vater“, s.o.), als überwältigende Epiphanie andererseits, z.B. im brennenden Himmel („dort steht Gott!“ I/1, 63). Der Theoretiker Jean Paul stellt diesen Gottesbegriff aber zur Disposition. Er lehnt das Prädikat „Vater“ als einen der „Gottheit“ unangemessenen Ausdruck menschlicher Abhängigkeit ab (z.B. Ideen-Gewimmel Nr. 1241, Nr. 1245); er charakterisiert Gott zwar als „Ich“, aber als das einzige wirkliche Ich, „das Ich der Ichs; er fässet alle in Ein Wesen“ (Nr. 1206, vgl. Nr. 1211, Nr. 1268). Umgekehrt ist das menschliche Ich nicht einsam, weil das Göttliche im Menschen ist, weil Gott in jedem Kind wieder Mensch wird: „nur Gott und ein Kind ist heilig“ (Nr. 1212). In der Geburt eines Kindes inszeniert dessen Genius „vor dem unübersehlichen Angesicht der Natur“ eine „Auferstehung“ des Göttlichen (Die unsichtbare Loge: I/1, 62-64).
So lieben wir Menschen „alle an einander ein Göttliches“, denn Gott ist uns „der einzige vertrauteste Freund“ – aber, so fragt Jean Paul, „wie kann die Gottheit etwas an uns lieben, oder gar ihr Göttliches in uns?“ Die nötige  „theologische Untersuchung“ führt er sicherlich nicht aufgrund des Glaubens an den „Christus-Vater“ (Merkblätter, 1821: Ideen-Gewimmel Nr. 1261f.). Seine ‚Physikotheologie’ ist auch deshalb weit entfernt von Friedrich Hölderlins mythopoetischer Synthese von Natur, griechischer Götterwelt und Figur Christi.

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